FRIEDRICH WILHELM WEBER: GOLIATH

Erstausgabe 1892

In einem norwegischen Hochgebirgstal leben Eiwind und Randi mit ihrem Sohn Olaf in einer abgeschiedenen Hütte. Eiwind arbeitet als Knecht auf Rönnedal, dem Hof des reichen, aber hartherzigen Knud. Randi schafft der Familie ein warmes Nest und kümmert sich um Olaf, der vor allem ihre märchenhaften Erzählungen liebt.

            So lebten sie, die beiden und ihr Kind,

            weitab vom Lärm der Welt, in Armut zwar,

            Doch nicht in Dürftigkeit und still zufrieden.

 

Woher das Paar stammt, weiß niemand, daher entstehen Gerüchte um seine dunkle Vergangenheit.

Als Olaf acht Jahre alt ist, lassen die Eltern ihn das erste Mal mit der Ziege und dem Lamm allein auf eine Bergweide gehen. Ein furchtbarer Erdrutsch erschreckt den Jungen, er läuft den Berg hinunter. Doch findet er seine Eltern, das Haus und den Garten nicht mehr, sie sind unter einem riesigen Geröllhaufen begraben.

Der Bauer Knud und seine Frau Kari nehmen Olaf auf. Da er groß und kräftig ist, hilft er fleißig bei der Arbeit und kümmert sich auch um die fünf Jahre jüngere Margit, Knuds und Karis Tochter.

Die Bäuerin setzt gegen den Willen ihres Mannes durch, dass Olaf zur Schule geht. Später begleitet und behütet Olaf auf dem Schulweg auch Margit. Zwischen ihnen entwickelt sich eine schüchterne Freundschaft.

Immer wieder träumt Olaf von seinen Eltern und wird von Albträumen geplagt. Kari findet in einem Schuppen die schwere Axt seines Vaters.

 

            Er ging zu seiner Kammer tief betrübt

            Und hing das Kleinod neben seinem Bett

            Am Nagel auf. Es war sein ganzes Erbe.

 

Wegen seiner alle anderen überragenden Statur nennen die Leute Olaf bald nur noch GOLIATH. Er arbeitet hart und ausdauernd, kann gut mit Tieren umgehen und wird sogar mit dem gefürchteten Hengst des Bauern fertig.

Knud und Kari freuen sich über die Geburt ihres Sohnes und ersehnten Hoferben Erik. Zu ihrem großen Kummer ist er taubstumm.

An einem Juniabend kommen Zigeuner auf den Hof. Widerwillig lässt der Bauer sie bewirten und im Stall übernachten. Olaf hält mit seinem zugelaufenen Hund Nachtwache. Am Tage findet ein wildes Zechgelage statt. Als die Zigeuner den Hengst stehlen, versucht der Bauer ihn zu befreien und wird zusammengeschlagen. Olaf greift ein, rettet den Bauern und bringt auch den Hengst zurück. Plötzlich entdeckt Margit, dass der kleine Erik geraubt worden ist. Olaf verfolgt die Zigeuner und rettet auch den Jungen. Margit dankt Olaf mit lieben Worten.

Margit weist mehrere Männer ab, die um ihre Hand anhalten. Die Mutter erkrankt schwer und stirbt. Der Vater wird immer mürrischer und verfällt dem Alkohol.

Schließlich wagt Olaf es, Knud zu bitten, ihm Margit zur Frau zu geben. Der Bauer verhöhnt ihn, weil Olaf ein Knecht, ein kahles Nichts sei.

 

            Wo liegt dein Hof? Wo hauset deine Sippe?

            Vielleicht auf Nirgendwo bei Hungerheim.

 

Er fordert Olaf auf, sofort den Hof zu verlassen, und er verbietet ihm, jemals wieder sein Haus und Eigentum zu betreten. Bevor Margit und Olaf sich trennen, schwören sie sich ewige Treue. Der Wille des Vaters geschieht und wird nicht angezweifelt.

 

            Der Riese sprach: "Dein Vater hat die Macht,

            Auch wohl das Recht zu dem, was er gebot."

 

Nach einer langen Wanderung über das Gebirge erreicht Olaf mit letzter Kraft den Byglandshof des Bauern Lars Göranson. An den Initialen L.G. auf Olafs Axt erkennt dieser, dass Olaf der Sohn seines Stiefbruders Esbjörn ist. Lars selbst hat die Axt geschmiedet. Er erzählt Olaf, was damals geschehen ist:

Esbjörn war, weil er Randi schützen wollte, mit einem Raufbold in Streit geraten und glaubte, ihn erschlagen zu haben. Er flüchtete mit Randi und erfuhr nie, dass der Raufbold überlebt hatte.

Lars bietet Olaf an, das Erbe seines Vaters anzutreten und sich ein kleines Haus zu bauen.

Inzwischen versichert Margit ihrem Vater, dass sie nie einen anderen Mann heiraten werde. Sie wirft ihrem Vater Herzlosigkeit und Undank vor. Der Vater jedoch bekräftigt sein Verbot.

 

            Geh, Weiberworte! Sand und Sägemehl,

            des Sturms, der Laune Spiel! ...

 

Erik wird im Stall von dem wilden Hengst erschlagen. Nach Knuds Tod erscheinen wieder Männer, die Margit heiraten möchten.

 

            Ein feiner Kaufherr aus der Hafenstadt,

            der mit der schmucken Braut die schmucken Fichten,

            Die Riesenföhren zu erobern dachte.

 

 

Margit führt den Hof allein weiter, während Olaf bescheiden als freier Mann, ein Fürst auf eignem Grund, von seiner kleinen Landwirtschaft lebt und manchmal Lachse, Forellen und Felle verkauft oder den begehrten Teer aus Kieferwurzeln brennt. Niemals weist er Reisende ab, die ihn um Quartier bitten.

Margit hört von einem Riesenmenschen berichten und weiß, dass Olaf, der GOLIATH, gemeint ist. Sie schickt den Knecht Rasmus mit einer Nachricht zu Olaf, der Rasmus wertvolle Felle für Margit mitgibt. Ihr Hof ist durch ein Unwetter und die folgende Überschwemmung beschädigt worden.

Von nun an besucht Margit Olaf in jedem Jahr auf einen Sommertag. Sie haben Knud vergeben, doch sie halten sich bis an ihr Lebensende an sein Verbot.

 

            Wenn um Gerechtigkeit und Gottes Huld

            Die Menschen würben, wie sie rastlos werben

            Um Macht und Weltbesitz, sie hätten längst

            Das schöne Paradies zurückgewonnen.

 

 

© Elisabeth Affani 2002