Kl. 8 b / 8 c / 9 c / 10 a: Martin Viertmann erzählt
70 Jahre Frieden
Martin Viertmann, * 1937, erzählte auch den SchülerInnen der 9 c, wie er das Kriegsende 1945 in Bad Driburg erlebte.
Martin Viertmanns Vater war Wilhelm Viertmann (1909 - 1942). Er war evangelischer Pfarrer und Mitglied der Bekennenden Kirche, predigte trotz der Gefahr gegen das NS-Regime, gegen die „falschen Propheten“ und die „Wölfe im Schafspelz“, und wurde mehrfach verhaftet. Er war seit 1936 Pfarrer in Lage. In diesem Jahr heiratete er in Bad Driburg Margarete Gossing. Als 1937 ihr Sohn geboren wurde, nannten sie ihn Martin und gaben ihm damit den Vornamen Martin Niemöllers, des führenden Vertreters der Bekennenden Kirche. Pfarrer Viertmann wurde aus Lippe ausgewiesen und erhielt eine neue Pfarrstelle in Wattenscheid-Höntrop. Dort wurde 1938 eine Tochter geboren. |
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Wilhelm Viertmann stellte seine Kritik am Nationalsozialismus nicht ein. Gestapo-Spitzel saßen in seinen Gottesdiensten. Im Oktober 1941 erhielt Pfarrer Viertmann seine Einberufung zum Kriegsdienst. Nach der Ausbildung in Belgien wurde er im Februar 1942 an die Front nach Russland versetzt. Er schrieb viele Feldpostkarten und Briefe.
„Zwar wusste ich im ersten Augenblick selber nicht, was
größer in mir war, die Wut gegen die höhere Gewalt, die mich
von Euch trennt, oder die Sehnsucht nach Dir und den
Kindern. ... So fahre ich denn morgen in der Gewissheit,
dass ich drei liebe Menschen daheim habe, die mich lieben
und für die es sich lohnt, wenn es sein muss, auch zu
sterben.“
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Am 12. Dezember 1942 starb Pfarrer Wilhelm Viertmann in der Nähe von Utta in der „Kalmückensteppe“. Seine Frau musste mit den beiden Kindern Martin und Christel aus dem Höntroper Pfarrhaus ausziehen und kehrte zu ihren Eltern nach Bad Driburg zurück. Anschaulich berichtete Martin Viertmann über die ersten Bombenangriffe auf Bochum und die Bombe, die im Garten des Pfarrhauses detonierte. Die Familie und Nachbarn hatten im Keller des Hauses Schutz gesucht. Die Detonation riss die eiserne Kellertür aus den Angeln und schleuderte sie in den Garten. Von dem Baum, vor dem der Vater sich mit Martin auf dem Arm hatte fotografieren lassen, blieb nichts übrig.
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R(ussland), 10.6.42 Für Euch, meine lieben Kinder, habe ich immer noch etwas. Hier schickt Euch, mein lieber Junge und meine liebe Mausi, der Vater ein paar Klümpchen. Laßt sie Euch gut schmecken und vergeßt nicht, der lieben Mutter auch welche mitzugeben. Aber nur, wenn Ihr in Zukunft ganz gehorsam seid und Martin keine Schläge mehr zu kriegen braucht, schickt Euch der Vater später noch mehr. Grüßt die liebe Mutter schön Euer Vater |
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Besonders spannend wurde es für die SchülerInnen, als Martin Viertmann das Kriegsende in Bad Driburg schilderte, wie er es erlebt hatte. Er berichtete von den amerikanischen Panzern, die die Serpentinen am Stellberg herunterdröhnten, auf einige Scheunen schossen und den Driburgern signalisierten, dass sie keinen Widerstand erwarteten. Vom Steinberg aus, verborgen hinter einem Erdwall, beobachteten Martin und seine Freunde, wie die Amerikaner Haus für Haus durchsuchten. Später wurden die Amerikaner von den Engländern abgelöst. Der Schuljunge Martin freute sich über Schokolade, die ihm die Besatzer zusteckten, sammelte auf dem Schulweg Kohlen auf oder grub die letzten Kartoffeln aus einem Acker. Man stelle sich vor: Kohlen und Kartoffeln in der Schultasche! Der Schuljunge stibitzte aus einem unbewachten Armeewagen eine Packung Chesterfield oder Lucky Strike. Zigaretten waren ein unbezahlbarer Schatz, nicht zum Rauchen, sondern um lebensnotwendige Dinge einzutauschen. Die Schule begann bald nach Kriegsende wieder, Martin saß in einem Raum mit insgesamt acht Klassen. Ein einziger Lehrer vollbrachte das Kunststück, alle Klassen mit dem altersgemäßen Stoff und den entsprechenden Aufgaben zu versorgen. Martin Viertmann erinnert sich an die Bombergeschwader, die über Bad Driburg hinweg Richtung Osten flogen, vermutlich nach Dresden.
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Weitere Informationen zur Geschichte Wilhelm Viertmanns findet ihr bei Wikipedia.
Af